Mit der Serie Pförtner bestritt Gursky noch während seines Studiums an der Düsseldorfer Kunstakademie seine erste Ausstellung. Die Serie weist in ihrer formalen Strenge auf den Einfluss seiner Lehrer Bernd und Hilla Becher hin. Zugleich deutet sich im Interesse für den Menschen und seine Umgebung schon die Eigenständigkeit Gurskys an. Überwältigend und einschüchternd wirken die Firmen-Empfangshallen, statuarisch dagegen die beiden gleichförmigen, in ihrem Pflichteifer fast komisch anmutenden Pförtner, die in den Vorzimmern der Macht ihren Dienst tun. In den prunkvoll gestalteten Lobbys werden sie zu leblosem Inventar und verkörpern die hierarchischen Strukturen und das Sicherheitsbedürfnis von deutschen Großbetrieben in der Hochkonjunktur. Unwillkürlich fühlt man sich an Franz Kafkas berühmten Prosatext Vor dem Gesetz (1905) erinnert, in dem ein Türhüter einem sein Leben lang wartenden „Mann vom Land“ den Eintritt „in das Gesetz“ verwehrt.
With his photographs entitled Desk Attendants, Gursky held his first exhibition as a student at the Düsseldorf Art Academy. In its rigid formality, the series reveals the influence of his teachers Bernd and Hilla Becher. But, at the same time, the interest Gursky shows in people and their environment is an early sign of his individuality. The companies’ lobbies are overwhelming and intimidating. In contrast, the two desk attendants with their identical uniforms and bearing seem statuesque, almost amusing their zeal to do their duty for those in power. In the ostentatiously decorated lobbies they become lifeless inventory and embody the hierarchical structures and the need for security that large German corporations require during an economic boom. We are automatically reminded of Franz Kafka’s famous parable Before the Law (1905): A doorkeeper refuses to allow a “man from the country” to enter “the law”, even though the man waits his entire lifetime.
São Paulo Sé zeigt eine mehrgeschossige U-Bahn-Haltestelle in der größten Stadt Brasiliens. Das sich auf unterschiedlichen Ebenen vollziehende Warten auf die Züge verwandelt sich in Gurskys Aufnahme zur großen Opernszene, bei der die Masse als Ornament einer visionären städtebaulichen Anlage funktioniert. Die moderne Architektur mit ihren seriellen Reihungen erscheint als eine gewaltige, menschenverarbeitende Turbine. Andreas Gursky verbindet in seinen großformatigen Farbfotografien die dokumentarische Haltung und die Strenge des Bildaufbaus seiner Lehrer Bernd und Hilla Becher mit einem geradezu malerischen Gespür für Farbe und dem Einsatz von Technik. Gursky nutzt seit Mitte der 1990er Jahre digitale Nachbearbeitungen am Computer, um das abgelichtete Bild mit seinen erinnerten Empfindungen abzugleichen. Zudem schärft er das Bild, so dass es dem Betrachter einen fast grenzenlosen Mikrokosmos voll kleinster Beobachtungen bietet. In São Paulo Sé ist jeder einzelne Mensch registrierbar, gleichzeitig verschwindet er aber auch in der Masse der Wartenden im modernen Alltag einer Zivilisationslandschaft.
São Paulo Sé shows a several-story underground station in Brazil’s largest city. The act of waiting for trains at different levels evolves into a great opera scene in Gursky’s picture, where the masses serve as ornaments at a visionary urban planning site. The modern architecture with its series of rows looks like a gigantic human-processing turbine. In his large-formatted photographs, Andreas Gursky combines the documentary attitude and the rigid image format of his mentors Bernd and Hilla Becher with an almost picturesque sense of colour and technical finesse. Since the mid-nineties, Gursky has been using digital postproduction to put the photograph in synch with the feeling he recalls. In addition, he sharpens the picture to the point that the viewer is offered an almost limitless microcosm full of the tiniest observations. In São Paulo Sé every single individual can be discerned, and, at the same time, everyone disappears amidst the waiting masses in the modern, everyday world we know as the landscape of civilisation.
Mit der Serie Pförtner bestritt Gursky noch während seines Studiums an der Düsseldorfer Kunstakademie seine erste Ausstellung. Die Serie weist in ihrer formalen Strenge auf den Einfluss seiner Lehrer Bernd und Hilla Becher hin. Zugleich deutet sich im Interesse für den Menschen und seine Umgebung schon die Eigenständigkeit Gurskys an. Überwältigend und einschüchternd wirken die Firmen-Empfangshallen, statuarisch dagegen die beiden gleichförmigen, in ihrem Pflichteifer fast komisch anmutenden Pförtner, die in den Vorzimmern der Macht ihren Dienst tun. In den prunkvoll gestalteten Lobbys werden sie zu leblosem Inventar und verkörpern die hierarchischen Strukturen und das Sicherheitsbedürfnis von deutschen Großbetrieben in der Hochkonjunktur. Unwillkürlich fühlt man sich an Franz Kafkas berühmten Prosatext Vor dem Gesetz (1905) erinnert, in dem ein Türhüter einem sein Leben lang wartenden „Mann vom Land“ den Eintritt „in das Gesetz“ verwehrt.
With his photographs entitled Desk Attendants, Gursky held his first exhibition as a student at the Düsseldorf Art Academy. In its rigid formality, the series reveals the influence of his teachers Bernd and Hilla Becher. But, at the same time, the interest Gursky shows in people and their environment is an early sign of his individuality. The companies’ lobbies are overwhelming and intimidating. In contrast, the two desk attendants with their identical uniforms and bearing seem statuesque, almost amusing their zeal to do their duty for those in power. In the ostentatiously decorated lobbies they become lifeless inventory and embody the hierarchical structures and the need for security that large German corporations require during an economic boom. We are automatically reminded of Franz Kafka’s famous parable Before the Law (1905): A doorkeeper refuses to allow a “man from the country” to enter “the law”, even though the man waits his entire lifetime.
São Paulo Sé zeigt eine mehrgeschossige U-Bahn-Haltestelle in der größten Stadt Brasiliens. Das sich auf unterschiedlichen Ebenen vollziehende Warten auf die Züge verwandelt sich in Gurskys Aufnahme zur großen Opernszene, bei der die Masse als Ornament einer visionären städtebaulichen Anlage funktioniert. Die moderne Architektur mit ihren seriellen Reihungen erscheint als eine gewaltige, menschenverarbeitende Turbine. Andreas Gursky verbindet in seinen großformatigen Farbfotografien die dokumentarische Haltung und die Strenge des Bildaufbaus seiner Lehrer Bernd und Hilla Becher mit einem geradezu malerischen Gespür für Farbe und dem Einsatz von Technik. Gursky nutzt seit Mitte der 1990er Jahre digitale Nachbearbeitungen am Computer, um das abgelichtete Bild mit seinen erinnerten Empfindungen abzugleichen. Zudem schärft er das Bild, so dass es dem Betrachter einen fast grenzenlosen Mikrokosmos voll kleinster Beobachtungen bietet. In São Paulo Sé ist jeder einzelne Mensch registrierbar, gleichzeitig verschwindet er aber auch in der Masse der Wartenden im modernen Alltag einer Zivilisationslandschaft.
São Paulo Sé shows a several-story underground station in Brazil’s largest city. The act of waiting for trains at different levels evolves into a great opera scene in Gursky’s picture, where the masses serve as ornaments at a visionary urban planning site. The modern architecture with its series of rows looks like a gigantic human-processing turbine. In his large-formatted photographs, Andreas Gursky combines the documentary attitude and the rigid image format of his mentors Bernd and Hilla Becher with an almost picturesque sense of colour and technical finesse. Since the mid-nineties, Gursky has been using digital postproduction to put the photograph in synch with the feeling he recalls. In addition, he sharpens the picture to the point that the viewer is offered an almost limitless microcosm full of the tiniest observations. In São Paulo Sé every single individual can be discerned, and, at the same time, everyone disappears amidst the waiting masses in the modern, everyday world we know as the landscape of civilisation.